Selbstverständnis

Feministisches  Gewaltverständnis der autonomen Frauenhausbewegung

Gewalt gegen Frauen ist jegliche Art von (geschlechtsspezifischer) Gewalt, die zu physischen  oder psychischen Leiden führt, und zwar im privaten wie im öffentlichen  Bereich.
Sie umfasst Belästigung  und Einschüchterung am Arbeitsplatz und in Bildungseinrichtungen, physische, psychische und sexualisierte Gewalt innerhalb der Familie, Stalking, Zwangsprostitution,  Zwangsverheiratung, Frauen- und Heiratshandel, Genitalverstümmelung und  Vergewaltigung als Mittel des Krieges. Gewalt gegen Frauen ist:

  • Ausdruck der historisch ungleichen Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern
  • Ausdruck der ungleichen ökonomischen Lebensbedingungen von Frauen und Männern
  • Ausdruck einer grundsätzlichen Diskriminierung von Frauen, die in allen Ländern dieser Erde ihre spezifischen Erscheinungsformen hat

Gewalt gegen Frauen und Kinder ist alltäglich, sie  kommt überall auf der Welt vor und rangiert weltweit auf Platz 1 der Menschenrechtsverletzungen.
Dabei stellt die Gewalt im familiären oder häuslichen Bereich eine der verbreitetsten Formen dar.

Häusliche Gewalt gegen Frauen

Häusliche Gewalt gegen Frauen verursacht in Deutschland immense Kosten, die in der Regel nicht  von den Tätern getragen werden, sondern von den Betroffenen selbst oder von der  Solidargemeinschaft aufgebracht werden müssen. Sie werden mit etwa 14,8  Milliarden Euro pro Jahr beziffert, darin enthalten sind Kosten für Justiz, Polizei, ärztliche Behandlungen und Arbeitsausfälle.

In Deutschland suchen jährlich über 40.000 Frauen mit ihren Kindern in Frauenhäusern Schutz vor ihren gewalttätigen Ehemännern oder Partnern. Dies ist jedoch nur die Spitze des  Eisberges. Denn nach der im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgeführten, 2004 veröffentlichten repräsentativen Studie Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland hat jede vierte Frau in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner erlebt. 71% der  befragten Frauen gaben als Tatort die eigene Wohnung an.
Ein signifikanter Zusammenhang von Gewalt in Paarbeziehungen mit Alter, Nationalität, Bildung oder Einkommen konnte nicht feststellt werden.

Die Studie bestätigt somit Erfahrungen und  Schätzungen aus der Anti-Gewalt-Arbeit. Sie macht weiterhin deutlich, dass sich  seit der Eröffnung des ersten Frauenhauses in Berlin vor nun über dreißig  Jahren am Ausmaß männlicher Gewalt nichts verändert hat.
Ein Wandel hat sich allerdings hinsichtlich des Umgangs mit von Gewalt betroffenen Frauen vollzogen. Heute werden diesen Frauen zahlreiche Auswege und Unterstützungsangebote aufgezeigt, während sich gewalttätige Männer mit zunehmender gesellschaftlicher Ächtung und Sanktionen konfrontiert sehen.
Als  unumstritten gilt auch der Handlungsbedarf gegenüber den direkt oder indirekt  betroffenen Kindern und Jugendlichen.

Das von der Frauenbewegung öffentlich gemachte Thema Gewalt gegen Frauen hat als gesamtgesellschaftliches Problem Anerkennung gefunden. Die gesellschaftlichen Strukturen jedoch, die die Gewalt  hervorbringen oder begünstigen, bleiben weiterhin unangetastet.
Darüber hinaus führten die Veränderungen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen der  vergangenen Jahre zu einer dramatischen Verschärfung dieses Zustandes. Prekäre  ökonomische Verhältnisse bis hin zur Verarmung bestimmen die Lebensperspektive  von Frauen, fördern Abhängigkeiten vom Partner und stehen der Entscheidung für  ein selbstbestimmtes, eigenständiges Leben im Weg.

Gewalt ist ein ungelöstes Problem, das die Lebenssituation und das Lebensgefühl unzähliger Frauen und Kinder prägt und unermesslichen physischen und psychischen Schaden anrichtet.

Eine verantwortungsvolle demokratische Gesellschaft und die sie  repräsentierenden Politikerinnen und Politiker sollten alles dafür tun, dass  diese Gewalt nicht länger toleriert wird.